Vorträge 2017

 

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Apl. Professorin Dr. Ulrike Seeger:

Oberhofmarschall und Bauintendant: Georg Friedrich von Forstner in Ludwigsburg“.

Vortrag beim Historischen Verein für Stadt und Kreis Ludwigsburg am 14.12.2017.

Die Stuttgarter Kunsthistorikerin apl. Professorin Dr. Ulrike Seeger stellte beim Historischen Verein eine Schlüsselfigur bei der Errichtung von Schloss Ludwigsburg in den Jahren 1704 bis 1716 vor.

Grafiken in der Württembergischen Landesbibliothek aus dem Besitz von Forstner warfen die Frage auf, welche Rolle diese Stichvorlagen in der Frühzeit des Ludwigsburger Schlosses spielten. Der frankophile Georg Friedrich von Forstner (1676–1717) stieg vom Kammerjunker des gleichaltrigen Eberhard Ludwig zum Oberhofmarschall und Bauintendanten auf. Er förderte den Architekten Johann Friedrich Nette (1673-1714), und ermöglichte so den modernen und qualitätsvollen Entwurf der Dreiflügelanlage des Schlosses. Im Frühjahr 1709 reiste Forstner nach Paris und erwarb graphische Vorlagen für die Innenausstattung; diese Vorlagen wurden aber nur zum Teil in Ludwigsburg umgesetzt. Als Günstling Eberhard Ludwigs war Forstner völlig abhängig vom Herzog. Zu seinem Sturz führten neben seinen außerehelichen Affären auch seine Angriffe auf die Mätresse des Herzogs, Wilhelmine von Grävenitz. Auf der Flucht durch halb Europa starb er 1717 in Mailand.

Georg Friedrich von Forstner war ein Glücksfall für das Ludwigsburger Schloss; die Sammlung von Grafiken und Briefen aus dem Besitz von Forstner sind ein Glücksfall für die Kunstgeschichte.

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Dr. Petra Schad:

Markgröninger Alltag am Vorabend der Reformation.

Vortrag beim Historischen Verein für Stadt und Kreis Ludwigsburg am 12.10.2017.

Im Jubiläumsjahr der Reformation befassen sich die meisten Beiträge mit dem Reformator, der Lutherbibel und theologischen Fragen. Das Thema des Vortrags von Dr. Petra Schad war dagegen die Lebenswelt der Menschen in Markgröningen im ausgehenden Mittelalter, denn auf diesen „Nährboden“ fiel der „Samen der Reformation“.

Ein Grundbedürfnis war die Nahrungsproduktion. Eine gute Ernte war überlebensnotwendig und fiel sie witterungsbedingt schlecht aus, herrschte bittere Not. Neben der Sorge um das tägliche Brot herrschte eine ständige Angst vor bösen Geistern, Ungeheuern, Dämonen und dem Teufel. Die Angst vor dem Tod war allgegenwärtig: im Kindbett, bei Krankheit und Seuchen, bei Missernten und bei Unfällen. Verstärkt wurde diese Angst noch durch die damals herrschenden Glaubensvorstellungen zum Jenseits. Zur solidarischen, gegenseitigen Absicherung schlossen sich die einzelnen Handwerker je nach Beruf zu Bruderschaften zusammen, den Vorläufern der Zünfte. Diese hielten Totengedenken für die Verstorbenen und kümmerten sich um die Witwen und Waisen. Viel Zeit und Geld wurde für die Kirche und Stiftungen aufgewendet, damit man ein gutes Gewissen hatte und den Tod und vor allem das nun drohende Fegefeuer nicht zu fürchten brauchte. Die Barmherzigkeit war eine christliche Tugend, die von großer Bedeutung für das eigene Seelenheil war. Sie war die Grundlage für die mittelalterliche Wohlfahrtpflege, Caritas genannt, in deren Mittelpunkt das Almosenwesen stand. Ein wesentlicher Kritikpunkt an der katholischen Kirche waren die auf Latein gelesenen Messen. Markgröningen bildete hier eine doppelte Ausnahme: Der Markgröninger Stadtpfarrer Gaißlin predigte auf Deutsch, sodass ihn jeder verstand. Auch die Bibel konnte in Markgröningen von Laien gelesen werden. Die deutschsprachige Bibelausgabe von Hans Grüninger von 1485 war bestimmt auch in seiner Heimatstadt bekannt. Zu einem Zeitpunkt, als Martin Luther noch gar nicht daran dachte, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen, konnten die Markgröninger sie bereits in ihrer Muttersprache lesen.

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Albrecht Gühring:

„Weihlen die Noth bei den hiesigen armen Leuten sehr groß“.
Das Hungersjahr 1817 in Marbach.

Vortrag beim Historischen Verein für Stadt und Kreis Ludwigsburg am 09.11.2017.

Zusammenfassung von Dr. Erich Viehöfer

Dass Umwelt- und Klimaveränderungen schon vor 200 Jahren zu einer Flüchtlingskrise führen konnten, zeigte der Marbacher Stadtarchivar Albrecht Gühring in seinem Vortrag.

Das Jahr 1816 ging als das „Jahr ohne Sommer“, in die Geschichte ein. Ursache war im April 1815 der größte Vulkanausbruch der letzten Jahrtausende im heutigen Indonesien. In Europa waren die Folgen erst im Jahr darauf zu spüren. Württemberg war mit am stärksten von dieser Krise betroffen war, da es durch die napoleonischen Kriege geschwächt war. In Marbach kamen Hungersnot, Hochwasser und eine Pockenepidemie zusammen. Die Missernte verursachte einen dramatischen Preisanstieg im Oberamt Marbach; dies führte zum Anstieg der Felddiebstähle und der Bettelei. Die Stadt ließ Brot backen und verteilen. Es wurden Wohltätigkeitsvereine auf Initiative von Königin Katharina gegründet, so auch am 3. Februar 1817 in Marbach. Der Wohltätigkeitsverein, später der Kirchenkonvent, verteilte Geld statt Brot. Wer arbeiten konnte, sollte sich sein Geld durch Notstandsarbeiten, Straßenbauarbeiten für die Männer und Spinnarbeiten für die Frauen, selbst verdienen. Die Missernte und die dadurch verursachte Hungersnot im ganzen Land führte zu einer massenhaften Auswanderungswelle. In den ersten vier Monaten des Jahres 1817 sollen 17. 000 Menschen legal aus dem Königreich Württemberg ausgewandert sein.

Bereits 1818 wurde Bilanz gezogen: Die Ausgaben während der Teuerung in Marbach beliefen sich auf über 10.000 Gulden an Geld und 36.000 Gulden an Naturalien.

Vor 200 Jahren war das Hungerjahr 1816 als Strafe für sündhaftes Verhalten gedeutet worden. Die wirkliche Ursache wurde erst 100 Jahre später erkannt.

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Bollacher, Christian: 

Schätze, Schächte, Viereckschanzen.

Neueste Rettungsgrabungen im Landkreis Ludwigsburg und ihre archäologischen Ergebnisse. 

Vortrag beim Historischen Verein für Stadt und Kreis Ludwigsburg am 09.02.2017.

Zusammenfassung von Dr. Erich Viehöfer

Drei Beispiele von Rettungsgrabungen im Landkreis Ludwigsburg stellte Dr. Christian Bollacher, Gebietsreferent Archäologische Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, den zahl-reichen Zuhörern beim Historischen Verein vor.

Das Gewerbegebiet Sachsenheim Eichwald Süd hat eine wechselvolle Geschichte: im Zweiten Weltkrieg Militärflugplatz, zuletzt Hunderennbahn. Die vollständige Abbaggerung des Geländes legte Pfostengruben eines Langhauses frei, aber auch jüngere jungsteinzeitliche Gebäude (der so genannten Rössener Siedlung), und einen Friedhof der Urnenfeldzeitlichen Kultur. Die Grabung läuft noch bis März.

In Korntal-Münchingen fanden Archäologen im Bereich der Kornwestheimer Straße Rundgruben der Urnenfelderkultur. Es handelt sich um Erdgruben, die als Vorratsspeicher für Getreide dienten, und die danach als Abfallgruben genutzt wurden. Ein Depot an Bronzeobjekten (Schmuck, Nadeln, Armringe) konnte geborgen werden. Die Bestattungsart deutet auf einen Übergang von der Erd- zur Brandbestattung hin.

Beim Bau des Wasserbehälters Römerhügel in Ludwigsburg wurde bereits 1877 eine Grabkammer entdeckt. Reste einer zweiten Hügelaufschüttung, mit Hilfe von geophysikalischer Prospektion und Bodenradar untersucht, zeigten eine zentrale Grabkammer, die aber nicht ausgegraben wurde. Grabungen außerhalb des Grabhügels führten zur Entdeckung einer keltischen Viereckschanze, mit einem Hauptgebäude und zwei Nebengebäuden. Im Torbereich wurde ein menschlicher Unterkiefer geborgen, möglicherweise von einem Trophäenschädel. Die Viereckschanze wurde später von den Römern in Besitz genommen und besiedelt. Es war nur eine bescheidene Niederlassung, keine villa rustica. Aus der Römerzeit stammen der gemauerte Keller eines Holzgebäudes und Keramik (Schlangentopf). Vollständige Tierskelette von Kühen und Schweinen deuten auf kriegerischen Akt hin (Alemannensturm?). Ein ausgemauerter Brunnenschacht wurde inzwischen bis in eine Tiefe von acht Metern ausgegraben, vermutlich reicht er noch einige Meter tiefer.

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Sonnabend, Holger, Prof. Dr./Schliereke, Martin:

Willkommenskultur im Alten Rom und im modernen Landkreis Ludwigsburg.

Vortrag vor dem Historischen Verein für Stadt und Kreis Ludwigsburg am 12.02.2017.

Zusammenfassung von Dr. Erich Viehöfer

Eine Premiere gab beim Historischen Verein: Erstmals wurde ein Co-Vortrag gehalten, zu einem Thema, das Geschichte und Gegenwart, Ferne (Rom) und Nähe (Ludwigsburg) umfasste. Den historischen Vortrag hielt Professor Dr. Holger Sonnabend von der Universität Stuttgart. Er wertete die Größe und Dauer des Römischen Reiches als Ergebnis gelungener Integration. Die Millionenstadt Rom hatte einen hohen Anteil von Menschen aus dem Orient. Bestimmend für den Zuzug waren weniger Fluchtgründe, vielmehr die Suche nach Arbeit und Aufstiegs-möglichkeiten. Die soziale Durchlässigkeit war nicht durch die ethnische Herkunft beschränkt, es gab keine Stigmatisierung. Rom war ein Erfolgsmodell gelungener Integration, ohne dass es zu einer Überfremdung der römischen Kultur durch den Zuzug aus dem Orient kam. Die Integration gelang zum einen über die Verwaltung. Es existierte eine eigene Magistratur (Prätor peregrinus), die sich um die „Fremden“, also die Einwohner ohne Bürgerrecht, kümmerte. Daneben gab es das Klientelsystem: eine Art „Patenschaft“ der Aristokraten. Die Größe der Klientelschaft verschaffte den römischen Patronen gesellschaftliches Prestige. Im Rahmen der Romanisierung fand eine rechtliche und kulturelle Angleichung statt, unter Beibehaltung ethnischer Eigenheiten. Das römische Bürgerrecht war auch für untere Schichten nach 25 Jahren Militärdienst erreichbar. „Fremde“, also nicht aus Italien Stammende, konnten sogar Kaiser werden (Trajan, Hadrian), trotz mancher Vorbehalte gegen die „Überfremdung“. Dieser Erfolg war möglich, da die Zugewanderten die Möglichkeiten wahrnahmen, die Rom bot.

Die aktuelle Perspektive lieferte Martin Schlierike, Leiter des Fachbereichs „Asylbewerber und Aussiedler“ beim Landratsamt Ludwigsburg. Er stellte die aktuelle Situation im Landkreis vor: Zum einen den sprunghaften Anstieg der Zahl der Asylbewerber. Er skizzierte die verschiedenen Stationen eines Asylbewerbers, die Herkunftsländer, die Zusammensetzung nach Alter und Geschlecht. Die Aufgaben des Landratsamtes umfassen Unterbringung, Leistungsgewährung und Flüchtlingssozialarbeit. Ausführlicher ging Schlierike auf die Willkommenskultur ein. Ohne die aktive Unterstützung durch Ehrenamt und Arbeitskreise für Asyl ist die Integration nicht zu bewältigen. In den 1990er Jahren existierte nur eine rudimentäre Willkommenskultur. Die Wende kam erst in den letzten Jahren. Ehrenamtliche sind vor allem im Bereich der seelisch-emotionalen Integration erfolgreich. Abschließend stellte Martin Schlierike fest, dass Integration eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.

 

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